Der fatale Irrflug
Von der Blüte bis zur Nase –
Pollenflug in Raum und Zeit
Eigentlich haben sie in der Nase (und am Auge) gar nichts zu
suchen – die Pollenkörner; sie gelangen rein zufällig als Irrflieger dorthin.
Ihr eigentliches Ziel sind weibliche Blüten der gleichen Art. Dort treiben sie
einen Schlauch bis zur Eizelle in der Samenanlage, um ihre beiden Spermien
zielgenau zu entlassen.
Die uralte Methode der Windblütigkeit hat gegenüber dem Transport
durch Insekten (z.B. Honigbienen) einen
gravierenden Nachteil: da der Wind als
Spediteur keine Adresse kennt, müssen die Staubblätter als Absender Unmengen an Pollen produzieren,
damit die zufällige Landung auf dem anderen Geschlecht hinreichend
wahrscheinlich ist. Pro Pflanze sind es Millionen bis Milliarden! Wegen des Massenversands
wird an der Größe des Pollenkorns gespart. Beispiel Birkenpollen: vier davon haben aneinander gereiht gerade
einmal die Dicke eines Haars (0,1 mm). Die möglicherweise lange Reise erfordert
zudem eine stabile Verpackung: die Pollenkornwand ist UV-stabil und chemisch so
widerstandsfähig wie kein anderer Naturstoff. Das macht sie als dauerhaftes
Überbleibsel auch zu idealen
stummen Zeugen für Vegetationsgeschichtler und Gerichtsmediziner.
Pollenallergiker interessieren sich vor allem dafür, wann
“ihr(e)“ Pollen wo und in welcher Menge
unterwegs sind. Hier kommen die „Aeropalynologen“ zum Zuge, die auf Pollenfang gehen. Natürlich nicht mit dem
Schmetterlingsnetz. Sie setzen vielmehr meist stationäre Pollenfallen ein, die
zumindest während der Saison rund um die Uhr als „eiserne Lungen“ aktiv Luft
ansaugen (10 l pro Minute). Die Luft wird dabei gegen eine klebrige Folie (der
menschlichen Schleimhaut vergleichbar) gelenkt, auf der dann eine Großteil des
Luftstaubs inklusive Pollen hängen bleibt. Und da die Folie mit konstanter Geschwindigkeit
hinter dem Ansaugschlitz vorbeiwandert, kann man im Nachhinein auf die Stunde
genau sagen, wann das einzelne Pollenkorn angeflogen kam.
Unter dem Mikroskop lassen sich dann auf der Fangfolie über
40
verschiedene Pollentypen erkennen – natürlich alle zu ihrer Zeit.
Allergologisch bedeutsam, weil allergen und häufig, sind in Mitteleuropa nur ein halbes Dutzend: Hasel-, Erlen-,
Birken-, Eichen-, Gräser- und Beifußpollen. Für die Diagnose entscheidend sind
Größe, Oberflächenstrukturen sowie Zahl
und Form der Keimöffnungen.